Die Grantler:in – Hört ihr noch die Glocken läuten?

Über ausgelutschte Weihnachtslieder und das ewig letzte Christmas, das wir Jahr für Jahr besingen.

In den Supermärkten und Kaufhäusern ist – wie jedes Jahr – alles seit Wochen auf „das große Fest“ hin optimiert. Und auch die Radiosender können nicht anders, lassen alte Weihnachtshits so lange laufen, dass man nur hoffen kann, die Schallplattennadel hält nicht mehr lang.

Die traurige Gewissheit aber: Sie spielen digital, und kein mechanisches Gebrechen kann sie stoppen. Sicher sind ihre Notfallsysteme denen von Banken und Großkonzernen gleich, mit doppelten Serverräumen und ausgefuchsten Plänen gegen Hackerangriffe.

Und wahrscheinlich hält auch der kleinste Lokalsender Notfallpersonal parat, alte Mikrofon-Größen, die nochmal ran dürfen, wenn den beliebten „Hosts“ der Morning Show kurz vor Weihnachten der Saft ausgeht und sie die Grippe heimsucht. Dann spielt die Moni von damals das, was immer funktioniert und auch heute noch auf dem Programmzettel steht: Jingle Bells, Last Christmas und Santa Baby, natürlich!

Retro-Sportwagen mit Weihnachtsbaum im Schnee, symbolisch für den jährlichen Kreislauf ausgelutschter Weihnachtslieder wie 'Last Christmas'.
© cosmos
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Nach dem Warum muss man gar nicht fragen, denn bekanntlich sind es diese Hits, die uns erst in Stimmung bringen – also in Kauflaune und Dekorierungswut. Dabei bin ich gar kein Muffel, nein, mir gefällt das ein oder andere am Weihnachtsfest. Auch schenke ich mittlerweile gerne und gut – zumindest, wenn ich die Tränen richtig interpretiere, die mir nach dem Auspacken selbst gebackener (steinharter) Lebkuchen entgegenschlagen.

Was mich hingegen stört, ist dieses ewiggestrige Weihnachtsgedudel! Wieso nur hören wir seit Jahrzehnten die gleichen Glocken läuten? Und wem soll ich dieses Jahr schon wieder mein Herz geben?

Gute Hörer:innen lauschen, kaufen und dekorieren

Liebe Radiosender, eigentlich müsste ich mich ja ans Hörertelefon hängen oder eine Sprachnachricht per WhatsApp senden, damit ihr mein Anliegen wahrnehmt, aber da ist wohl aktuell kein Durchkommen. Trotzdem die Frage: Seid ihr als Medium nicht auch Gatekeeper? Habt ihr denn keinen Auftrag – bildungspolitisch, gesellschaftlich?

Und wenn ihr privatwirtschaftlich organisiert seid, dann erzieht doch bitte eure Kund:innen und Hörer:innen anders! Wie wär’s denn mit Mazzy Star und ihrem Song „Flowers In December“? Eine schöne Ballade und endlich mal Blumen im Winter! Keine geschlachtete Tanne und ihre zum Kranz gebundenen, brandgefährlichen Zweige. Weniger melancholisch könntet ihr es auch mit der US-amerikanischen Psychedelic-Rockband Khruangbin probieren, die uns mit „Christmas Time is Here“ immerhin daran erinnert, dass sie jetzt da ist, die Weihnachtszeit.

Vorschläge, alles nur Ideen, ihr müsst natürlich gar nichts ändern. Läuft ja wie geschmiert und gut geölt, jahrzehntelang erprobt und mit hohen Einschaltquoten belohnt. Ich höre schon auf und nicht mehr hin, gebe mich zufrieden mit eurem Angebot, wünsche mir nur „Peace At Least“ (Rotary Connection) – und bin damit sicher nicht allein. Aber vielleicht darf ich zum Abschluss auf unsere eigene Spotify-Playlist verweisen, in der wir als Agentur ein paar Musik-Titel vereint haben, die ein bisschen aus der Weihnachtsreihe tanzen. In diesem Sinne: frohes Fest und herzlich reingelauscht!